Seit dem 1. Januar 2021 gilt das Rechtsüberholen durch Ausschwenken und Wiedereinbiegen auf der Autobahn ohne erschwerende Umstände als blosse Ordnungswidrigkeit und wird mit einer Busse von CHF 250.00 ohne Eintragung im Strafregister und ohne Führerausweisentzug geahndet (Anhang 1 zur Ordnungsbussenverordnung, Ziff. 314.3).
Am 3. November 2022 hat das Bundesgericht seine Praxis an die neue Bestimmung angepasst und präzisiert (BGE 149 II 96).
Rechtsüberholen nach wie vor verboten
Das Rechtsüberholen mit anschliessendem Wiedereinbiegen auf die linke Autobahnspur ist nach wie vor verboten. Es wird nur in den Fällen, in denen keine erschwerenden Umstände vorliegen, mit einer Ordnungsbusse ohne Führerausweisentzug bestraft. Davon zu unterscheiden ist das Vorbeifahren an anderen Fahrzeugen auf der rechten Autobahnspur ohne Spurwechsel. Dies ist gemäss Art. 36 Abs. 5 der Verkehrsregelnverordnung in folgenden Fällen zulässig: Beim Fahren in parallelen Kolonnen, auf Einspurstrecken, sofern für die einzelnen Fahrstreifen unterschiedliche Fahrziele signalisiert sind, auf dem Beschleunigungsstreifen von Einfahrten bis zum Ende der Doppellinien-Markierung und auf dem Verzögerungsstreifen von Ausfahrten.
Kein Führerausweisentzug ohne erschwerende Umstände
In seinem Entscheid vom 3. November 2022 hat das Bundesgericht festgehalten, dass das Rechtsüberholen durch Ausschwenken und Wiedereinbiegen auf der Autobahn nur ausnahmsweise mit einer Ordnungsbusse bestraft werden kann. Im zu beurteilenden Fall hat der angezeigte Fahrzeuglenker auf der Autobahn A8 bei Matten bei Interlaken nur ein Fahrzeug rechts überholt. Um 17.00 Uhr waren die Strasse trocken, die Sicht gut, die Witterung bewölkt und der Verkehr schwach. Der überholte Fahrzeugführer musste wegen des Überholmanövers seine Fahrweise nicht ändern. Diese Umstände bewogen das Bundesgericht, es bei der Ordnungsbusse zu belassen und auf einen Führerausweisentzug zu verzichten.
Führerausweisentzug bei erschwerenden Umständen
Anders beurteilte das Bundesgericht einen Fall, bei dem zwar ebenfalls gute Sicht-, Witterungs- und Strassenverhältnisse herrschten. Der Autolenker überholte aber im Bereich einer Autobahnausfahrt, wo vermehrt Spurwechsel vorkommen, auf einer Strecke von 1,3 km rechts vier Fahrzeuge und bog anschliessend wieder auf die Überholspur ein. Dieses Überholmanöver qualifiziere das Bundesgericht als grobe Verkehrsregelverletzung, was zu einem Führerausweisentzug führte (BGE 148 IV 374).
Fazit
Das Rechtsüberholen auf Autobahnen durch Ausschwenken auf die Normalspur und Wiedereinbiegen auf die Überholspur ist nur in Ausnahmefällen bei günstigen Umständen mit einer Ordnungsbusse von CHF 250.00 zu bestrafen. In allen anderen Fällen besteht eine grobe Verkehrsregelverletzung, die einen Führerausweisentzug zur Folge hat.
Herbert H. Scholl ist Rechtsanwalt bei SLP Rechtsanwälte und Notariat und berät und vertritt Parteien im Strassenverkehrsrecht.