Am 15. September 2020 hat sich der Grosse Rat des Kantons Aargau mit der neuen Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB) und das künftige kantonale Dekret über das öffentliche Beschaffungswesen (DöB) befasst. Er hat den Änderungen mit klaren Mehrheiten zugestimmt und für die nähere Abklärung von zwei Zuschlagskriterien eine zweite Beratung beschlossen.
Die neuen Vorschriften gelten für die kantonalen Beschaffungsbehörden sowie für die auftraggebenden Behörden auf Bezirks- und Gemeindeebene. Für die Auftragsvergebungen auf Bundesebene gilt das Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen mit einer separaten Liste der betroffenen Anbietenden.
Im geltenden Submissionsrecht sollen die Zuschlagskriterien zum “wirtschaftlich günstigsten Angebot” führen. Dieser Begriff hatte seinerzeit das “preisgünstigste Angebot” abgelöst. Nun wird in Art. 41 der Interkantonalen Vereinbarung festgelegt: “Das vorteilhafteste Angebot erhält den Zuschlag.” In Art. 29 werden gut 20 Zuschlagskriterien aufgeführt, die in den Ausschreibungsunterlagen ausgewählt und gewichtet werden müssen.
Von den wichtigsten Neuerungen seien hervorgehoben
Die Ausschreibungen auf den Stufen Kanton, Bezirk und Gemeinden werden künftig wie folgt gegliedert:
Verfahrensart | Lieferungen | Dienstleistungen | Baunebengewerbe | Bauhauptgewerbe |
Freihändiges
Verfahren |
unter
CHF 150’000.00 |
unter
CHF 150’000.00 |
unter
CHF 150’000.00 |
unter
CHF 300’000.00 |
Einladungs-
verfahren |
ab
CHF 150’000.00 |
ab
CHF 150’000.00 |
ab
CHF 150’000.00 |
ab
CHF 300’000.00 |
Offenes/selektives
Verfahren |
ab
CHF 250’000.00 |
ab
CHF 250’000.00 |
ab
CHF 250’000.00 |
ab
CHF 500’000.00 |
In der zweiten grossrätlichen Beratung wird die Aufnahme der zusätzlichen Zuschlagskriterien “Berücksichtigung der unterschiedlichen Preisniveaus in den Ländern, in welchen die Leistung erbracht wird” und “Verlässlichkeit des Preises” geprüft werden. Diese beiden Kriterien sind im Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen, nicht aber in der Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen enthalten.
Rechtsanwalt Herbert H. Scholl
Herbert H. Scholl ist Rechtsanwalt in der Kanzleigemeinschaft SLP Rechtsanwälte und Notariat. Er berät Unternehmen und Gemeinden in Fragen des kantonalen Rechts, insbesondere des Raumplanungs-, Bau- und Submissionsrechts.