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Probezeit: Kennenlernphase mit Tücken – worauf ist zu achten?

  • By:Jeanine Kummler

Beim Vorstellungsgespräch hat der erste Eindruck überzeugt. Ob es wirklich passt, merkt man jedoch erst nach Antritt der neuen Stelle. Deshalb gibt es die Probezeit. Die Probezeit soll es den Parteien ermöglichen, einander kennenzulernen und ein Vertrauensverhältnis aufzubauen bzw. abzuschätzen, ob sie die gegenseitigen Erwartungen erfüllen, sodass sie über die in Aussicht genommene langfristige Bindung in Kenntnis der konkreten Umstände befinden können (Zweck der Probezeit gemäss BGE 144 III 152). Nachfolgend werden die Besonderheiten und Tücken der Probezeit sowie die neuste Rechtsprechung zur Verlängerung der Probezeit bei Krankheit beleuchtet.

Dauer der Probezeit:
Ist im Arbeitsvertrag nichts geregelt, dauert die Probezeit gemäss Gesetz einen Monat (Art. 335b Abs. 2 OR). Die Probezeit kann durch vertragliche Vereinbarung, Normal- oder Gesamtarbeitsvertrag wegbedungen, verkürzt oder verlängert werden. Die Probezeit darf aber insgesamt drei Monate nicht übersteigen. Auch darf keine zweite Probezeit in einem neuen Vertrag für dieselbe Stelle vereinbart werden. Selbst wenn der Arbeitnehmer seine Stelle innerhalb des Unternehmens wechselt, kann lediglich im Ausnahmefall eine neue Probezeit vereinbart werden. Dies ist denkbar, wenn sich Funktion, Stellung oder Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers komplett ändern. Eine Probezeit ist jedoch dann zulässig, wenn der Arbeitnehmer zuerst über eine Temporärfirma bei der Arbeitgeberin tätig war und anschliessend in eine Festanstellung übertritt (BGE 124 III 129). Keine Probezeit darf hingegen vereinbart werden, wenn ein Lehrling nach Abschluss der Lehre im Betrieb angestellt wird. Für die besonderen Regeln zur Probezeit im Lehrvertrag wird auf Art. 344a OR verwiesen.

Verkürzte Kündigungsfristen:
Ein «rascher Rückzieher» wird sowohl der Arbeitgeberin als auch dem Arbeitnehmer durch die verkürzten Kündigungsfristen während der Probezeit ermöglicht. Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis jederzeit mit einer Frist von 7 Kalendertagen auf einen beliebigen Termin gekündigt werden. Die Probezeit-Kündigung muss der anderen Vertragspartei spätestens am letzten Tag der Probezeit zugehen. In diesem Fall dauert die Kündigungsfrist über die Probezeit hinaus. Denn das Arbeitsverhältnis endet erst nach Ab-lauf der Kündigungsfrist. Durch vertragliche Vereinbarung oder Normal-/Gesamtarbeitsvertrag können die Kündigungsfristen und –termine abgeändert werden. Die Kündigungsfrist kann verlängert oder verkürzt werden und es können bestimmte Kündigungstermine (z.B. auf das Ende einer Woche) vereinbart werden.

Arbeitsunfähigkeit und Arbeitsverhinderung:
Vorsicht ist geboten, wenn ein Arbeitnehmer während der Probezeit erkrankt oder verunfallt. Denn der Kündigungsschutz bzw. die Kündigungssperrfristen gemäss Art. 336c OR gelten während der Probezeit nicht. Das bedeutet, dass während der Probezeit auch einem verunfallten oder erkrankten Arbeitnehmer gekündigt werden kann. Dies gilt auch gegenüber einer schwangeren Arbeitnehmerin, auch dieser kann während der Probezeit gekündigt werden.

Weiter hat der Arbeitnehmer bei unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitsverhinderung während der Probezeit in der Regel keinen gesetzlichen Lohnanspruch. Denn gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung entsteht der gesetzliche Lohnfortzahlungsanspruch gemäss Art. 324a OR bei unverschuldeter Arbeitsverhinderung bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen mit einer Kündigungsfrist von drei oder weniger Monaten erst ab dem ersten Tag des vierten Monates (siehe BGE 131 III 623).Hat die Arbeitgeberin eine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen, kommt es auf die konkreten Versicherungsbedingungen an. Häufig besteht jedoch bei der Krankentaggeldversicherung eine Karenzfrist von beispielsweise 30, 60 oder 90 Tagen, während der die Krankentaggeldversicherung keine Leistung erbringt. Besser ist die Lage bei Unfällen. Die obligatorische Unfallversicherung ist auf den Beginn des Arbeitsverhältnisses abzuschliessen. Die Unfallversicherung muss bei unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit ab dem dritten Tag nach dem Unfall ein Taggeld bezahlen (Art. 1a und 16 Abs. 2 UVG).

Verlängerung der Probezeit bei Krankheit:
Ist der Arbeitnehmer während der Probezeit krank, verunfallt oder ist er im Militärdienst und kann aus diesen Gründen nicht arbeiten, verlängert sich die Probezeit (Art. 335b Abs. 3 OR). Bisher war die Frage offen, ob die Probezeit nur um die Anzahl der Fehltage verlängert wird (also die Fehltage hinten angehängt werden), oder ob die Fehltage tatsächlich als Probezeittage (d.h. als Arbeitstage) nachzuholen und damit die versäumten Arbeitstage effektiv abzuarbeiten sind. In einem neuen Bundesgerichtsurteil wurde diese Frage nun geklärt (siehe BGer Urteil 8C_317/2021 vom 8. März 2022, zur Publikation vorgesehen): Die Fehltage werden nicht einfach ans Ende der Probezeit angehängt, sondern die Probezeit wird um die effektiv versäumten Arbeitstage verlängert. Die versäumten Arbeitstage werden dabei auf Arbeitstage nach Ende der Probe-zeit umgelegt. Die versäumten Arbeitstage müssen somit effektiv abgearbeitet werden. Dies bedeutet folgendes: Ist der Arbeitnehmer in der Probezeit während zwei Arbeitstagen krank und endet die Probezeit regulär an einem Freitag, verlängert sich die Probezeit nicht bis Sonntag, sondern bis zum darauffolgenden Dienstag.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass während der Probezeit besondere Regeln gelten. Insbesondere kann das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten rasch wieder aufgelöst werden. Die kurzen Kündigungsfristen kommen sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber entgegen. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch, dass der Arbeitnehmer während der Probezeit weniger geschützt ist. Zu beachten ist zudem die neuste bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Verlängerung der Kündigungsfrist bei Krankheit. Die wegen Krankheit versäumten Arbeitstage werden nicht einfach an die Probezeit angehängt, sondern auf Arbeitstage nach Ende der Probezeit umgelegt. Dadurch wird die Probezeit um effektive Arbeitstage entsprechend verlängert.


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Rahel Unfried ist Rechtsanwältin bei SLP Rechtsanwälte und Notariat in Aarau. Sie berät Unternehmen sowie Privatpersonen in den Bereichen des allgemeinen Vertragsrecht sowie des Familien- und des Strafrechts (inkl. Strassenverkehrsrecht).

RAin Rahel Unfried

Posted in: Arbeitsrecht, Allgemein